Aus der Geschichte der Gilde

In den mittelalterlichen Städten mit ihren Stadtmauern hatten einzelne Zünfte oder Gilden die Instandhaltung und Verteidigung bestimmter Mauerabschnitte inne. Sie waren daher in höchstem Maße daran interessiert, dass jedes ihrer Mitglieder passabel bewaffnet war und auch mit den Waffen entsprechend umzugehen wusste. Im Westen Deutschlands entstanden seit dem 13. Jahrhundert bürgerliche Schützengesellschaften, deren Mitglieder sich in einer dauerhaften und freiwillig zustande gekommenen Interessengemeinschaft zusammenfanden, wobei der soziale Charakter das wesentlichste Merkmal war. Neben ihren anderen Aktivitäten fanden sie sich regelmäßig zu Schießwettbewerben zusammen. So entstanden die Schützengilden. Nach dem Vorbild der Gildeverfassungen organisierten sie ihre Mitglieder, regelten ihre inneren Angelegenheiten und suchten schließlich nach offizieller Bestätigung. Oberste Gebote waren Ordnung, Pünktlichkeit und die Sauberkeit. Bei den Zusammenkünften hatte jeder pünktlich und in reinen Sachen zu erscheinen. Bei nicht einhalten dieser Gebote wurden die Mitglieder mit Strafe belegt.

Die Armbrust hatte sich seit dem 12. Jahrhundert in den europäischen Heeren durchgesetzt. Mit ihrer Kombination aus herkömmlicher Bogentechnik und einem neuartigen mechanischen Spannsystem handelte es sich um eine relativ einfach zu handhabende, gefährliche Waffe mit großer Reichweite und Durchschlagskraft. Sie eignete sich besonders gut für die Stadtverteidigung, da der Schütze mit ihr weniger üben musste als mit dem Bogen.

Seit dem 14. Jahrhundert wurden in Europa die ersten mit Schießpulver bestückten schweren Geschütze verwandt. Sie dienten allerdings eher dazu, Angst und Schrecken beim Gegner zu verbreiten. Bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begannen spezialisierte Schmiede, mit der Herstellung von Handfeuerwaffen. Die ersten Faustfeuerwaffen wurden ebenso wie die Kanonen noch mit glimmenden Lunten gezündet. Anfangs noch sehr umständlich und gefährlich zu bedienen, entstanden nach und nach immer präzisere und schneller zu bedienende Schusswaffen. So verlor nicht nur das Ritterwesen gegenüber den von den Landesherren angeworbenen großen Söldnerheeren seine Bedeutung, sondern auch die Befestigungsanlagen der Städte waren bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts größtenteils nutzlos geworden.

Dass dadurch einige der heutigen Vereine, die ihre Gründungsdaten – und zwar als Schützengilde – ins 12. und 13. Jahrhundert verlegt haben, sich veranlasst sehen könnten, einerseits geschichtliche Mythen und andererseits die vielfach nachweisbaren, sehr frühen Erwähnungen von Schützen in den Quellen in Übereinstimmung zu bringen. Dies sei ein weiteres Indiz dafür, dass die Entstehung von Schützengilden weniger mit der Stadtrechtsverleihung als vielmehr mit bestimmten sozialen und religiösen Entwicklungen zusammenhängt, die in kleineren Städten in der Regel eben erst im 15. Jahrhundert stattgefunden hatten. In dieser Entwicklung liegt einer der wesentlichen Gründe für das militärische Selbstverständnis der Schützenvereine des 19. Jahrhunderts.

In den katholisch geprägten Gegenden gehen viele der älteren Schützengesellschaften auf bruderschaftliche Ursprünge zurück. Ihre enge Anlehnung an die Kirche fand besonderen Ausdruck in der Verehrung von Schützenheiligen und den damit verbundenen kirchlichen Feiertagen. Auf den Vereinsfahnen finden sich Heilige, die speziell für das Schützenwesen eine große Bedeutung besitzen. Bei den preußisch-protestantischen Organisationen hingegen treten eher Personen oder Embleme des preußischen Staates in den Vordergrund. Die Nähe zum Staat und seinen militärischen Traditionen ist unverkennbar.

Die Schützenvereine waren bereits vor, auch während der Julirevolution von 1830 und vor allem 1848 nicht nur gesellige Vereine, sondern vielfach Formationen zur innerstädtischen Konfliktregelung und zur Sicherung des Besitzes der vermögenden bürgerlichen Schichten. Nach ihrem eigenen Selbstverständnis handelte es sich bei den Schützenorganisationen um die einzig sinnvolle und legitime Verwirklichung der "Volksbewaffnung". Neben den Wiederbegründungen von Schützengesellschaften wurden vor allem im ländlichen Raum viele Vereine neugegründet, um dem Bedürfnis nach geselligem Beisammensein einen Raum zu geben.

Nach den politischen Aktivitäten der einzelnen Schützenvereine während des Vormärz, in der Revolutionszeit 1848/49 und während des ersten deutschen Bundesschießens in Frankfurt am Main 1862, das gewiss ein Gipfelpunkt des Jahrhunderte alten Schützenwesens in Deutschland war, lässt sich für die meisten Schützenvereine in Deutschland ein weitgehender Konsens bezüglich der patriotischen und monarchistischen Gesinnung feststellen, getreu dem Motto "Mit Gott für Kaiser und Reich".

In der Zeit zwischen 1815 und 1848/49 gehörten Uniformen bei den Schützenvereinen zu den gesellschaftlichen Unterscheidungsmerkmalen. Manchmal bildeten sich innerhalb der zuvor bei Schützenfesten zivil gekleideten Schützengesellschaften eigene Abteilungen bzw. Kompanien, deren Mitglieder sich durch die Anschaffung kostspieliger Uniformen und hochwertiger Säbel deutlich von den weniger vermögenden Schützen abhoben.

Vor allem Kaiser Wilhelm II. liebte es, sich in Phantasieuniformen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Angesichts der Weltgeltung des Deutschen Reiches war es nicht erstaunlich, dass sich auch die "Untertanen" durch Uniformierung und das Tragen von Abzeichen, das Aufsetzen von Helmen und deren Zier und durch die Verwendung von Koppelschlössern und Orden allen Varianten des dekorativen Militarismus verschrieben. Der Zwang zur Uniformierung nahm auch bei den Schützen seit 1870/71 deutlich zu. Ein Übergang von einem liberal geprägten zu einem rechten, konservativ-militärischen Leitbild verpflichteten Nationalismus fand statt.

Schieß-Traditionen
 
Auch das während des Festes durchgeführte Schießen und die in diesem Zusammenhang entstandene Sachkultur gehören zu den Kontinuitätselementen. Der Schuss auf den Vogel oder auf die bemalte Scheibe zählt auch heute noch zu den Höhepunkten eines jeden Schützenfestes. Während die Traditionen des Vogelschießens ihre Ursprünge bereits in heidnischen Kulten hatten, tauchen Hinweise auf das Scheibenschießen erstmals im Zusammenhang mit dem Einsatz von Feuerwaffen auf. Mit der Armbrust zielte man auf ein aufgerichtetes Ziel, mit der Büchse hingegen auf runde, sog. freischwebende Scheiben. Wurde in der Regel bei den Schießübungen nur auf nüchterne Kreisscheiben angelegt, so schoss man seit dem 17. Jahrhundert während des Schützenfestes auf kunstvoll bemalte Scheiben. Sie wurden u.a. vom Bürgermeister oder dem obersten Schützenmeister gestiftet. Zu sehen war auf diesen runden Scheiben all das, was die Schützen erfreute oder beängstigte, politisch bewegte oder als historisches Ereignis faszinierte.

Frauen in Schützenvereinen
 
Was wären die Schützen, vor allem des 19. Jahrhunderts, ohne weibliche Begleitung auf ihren Schützenfesten? Von den meisten Aktivitäten bei den Schützenvereinen ausgeschlossen, waren Frauen als "Dekoration" jedoch unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Schützenfestes. Was wäre dieses auch ohne die Auffahrt der Königin, was der Schützenkönig ohne seine selbst erwählte weibliche Begleitung? Auf der einen Seite die Männer in Paradeuniform, ihre Männlichkeit durch eng geschnittene Taillen und Schulterklappen betonend. Auf der anderen Seite die mit Blumen geschmückten und meist in Weiß gekleideten Frauen. Trotzdem blieben die Kernelemente des Vereinslebens, nämlich die brüderliche Geselligkeit in den Wirtshäusern oder den Vereinslokalen und die eigentlichen Schießwettbewerbe, exklusiv den Männern vorbehalten. Neben dem Gemeinschaftssinn fördernden Singen von Liedern und dem Trinken auf das Wohl des Vaterlandes oder auf den Schützenkönig übte das Marschieren mit Fahnen und das Exerzieren mit Waffen eine große Faszination auf den größten Teil der männlichen Bevölkerung aus. Nach 1918, vor allem aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich dieses Bild jedoch allmählich verändert. Allerdings hat heute fast jeder der Vereine seine eigenen Damenkompanien oder sportlich sehr erfolgreiche Sportschützinnen.

Schützenvereine nach 1918
 
Die traditionsreichen und national-patriotischen bürgerlichen Schützenvereine blieben wie andere vergleichbare Organisationen seit der Novemberrevolution 1918 vielfach noch den Traditionen des Kaiserreiches verhaftet. Einige dieser Vereine orientierten sich zusätzlich stärker an Zielen wie der Brauchtumspflege.

Nach 1945/49 befanden sich die Schützenvereine gleichsam in einer Spagatsituation. Einerseits bemühten sie sich um eine Rückversicherung in den traditionellen Fest-, Feier- und Kulturformen des 18. Jahrhunderts, andererseits kämpften sie um die Eroberung der Zukunft und arbeiteten am öffentlichen Erscheinungsbild als moderner Geselligkeitsverein.

Ein weiteres Kontinuitätsmerkmal welches das Schützenwesen der letzten fünf Jahrhunderte charakterisiert, ist der Umstand, dass es eigentlich bis heute nicht gelingen kann, ein klares und deutliches Bild von dem Schützenwesen zu zeichnen. Jenes macht es zu einem sehr schwierigen Unterfangen – gerade auch angesichts des breiten Spektrums an verschiedenen Schützenvereinigungen. Somit sind es immer nur Schlaglichter, welche die Projektverantwortlichen gerade auch auf die Schützenorganisationen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werfen konnten. Momentaufnahmen, die immer nur ganz präzise einen bestimmten Schützenverein an einem bestimmten Ort und Zeitpunkt beschreiben.

Begriff Gilde
 
Eine Quelle aus dem Jahr 1473 spricht von "geselschoff, gilde ind brouderschoff". In den Statuten von 1749 stehen dann die Begriffe Gesellschaft und Kompanie als Synonyme nebeneinander.

Was ist eine Gilde? Unter Gilde versteht man eine auf freier Einung beruhende, oft durch Eid "verschworene" Gemeinschaft von Gleichen zu gegenseitigem Schutz und Beistand, zu religiöser und gesellschaftlicher Tätigkeit, sowie zur beruflichen und wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder. Als "Gilden" werden vor allem die Zusammenschlüsse von Kaufleuten bezeichnet, als "Zünfte" die von Handwerkern. Im Norden des deutschsprachigen Raumes ist von Gilden, im Süden von Zünften die Rede.
 

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